Sport vor Ort - Porträts

Ein Schiri muss alles sehen, er muss aber nicht alles hören

Bild1: Ein Schiri muss alles sehen, er muss aber nicht alles hören Bild2: Ein Schiri muss alles sehen, er muss aber nicht alles hören

20.04.2023

Günter Schachler feiert 80. Geburtstag und bekommt
Verdienstnadel des Norddeutschen Fußballverbandes ist
Die Schlange der Gratulanten war lang.

Nicht nur Fußballer wollten dem Jubilar Glückwünsche überbringen. Günter Schachler (Dr. rer. nat. habil.) ist der dienstälteste Schiedsrichter im Fußballkreis Ostbrandenburg und denkt noch lange nicht daran seine Pfeife an den Nagel zu hängen. Seit 66 Jahren ist er nunmehr aktiv und ist auf den Fußballplätzen der Region als Schiedsrichter bekannt und hoch geachtet. Er feierte am 20. April seinen 80. Geburtstag.
Aus den Händen des Präsidenten des Fußball-Landesverbandes Brandenburg, Jens Kaden, erhielt der Waldsieversdorfer die Ehrennadel des Nordostdeutschen Fußballverbandes.

„Wie ich Schiedsrichter wurde?“, Günter Schachler lacht ein wenig und erklärt: „Der Grund ist ganz einfach. Fürs Fußballspielen war ich nicht talentiert genug. Wenn auf dem Bolzplatz gewählt wurde, gehörte ich immer zu den Letzten. Aktiv habe ich mal bei Aktivist Menteroda gespielt und bin sogar einmal unter falschem Namen aufgelaufen.“

In Menteroda (Thüringen) ist Günter Schachler aufgewachsen. „Der Trainer hat mich auf der Position des Linksaußen aufgestellt und gesagt, spiel dort, da kannst du nicht viel falsch machen.“ Den kleinen Günter hatte das natürlich geärgert, doch als ihm jemand den Rat gab, er solle doch Schiedsrichter werden, um dem Verein zu helfen, entschied er sich sofort und heute sagt er: „Ich habe das nie bereut, denn der Schiri gehört zum Fußball und in all den Jahren hat es mir immer Spaß gemacht.“ Mit Eifer stürzte er sich in die neue Aufgabe und erinnert sich, dass er einen guten und auch prominenten Lehrer hatte. „Adolf Prokop war damals für unseren Kreis verantwortlich. Von ihm habe ich eine Menge gelernt“, sagt er heute.

Der Einstieg als Schiri war nicht leicht. Günter Schachler leitete die ersten Spiele im Nachwuchsbereich und amtierte als Linienrichter in der Bezirksklasse Erfurt. „Mein Problem war, dass ich nicht genügend Erfahrungen als Spieler hatte. Die meisten guten Schiris waren auch gute Spieler.“
Aber Günter Schachler ist ein Mensch, der mit viel Fleiß und hohem Einsatz seine Aufgaben in Angriff nimmt. Ab 1961 studierte er an der Pädagogischen Hochschule Erfurt Pädagogik, Biologie und Chemie. Seine Karriere als Schiri ging parallel weiter. 1966 erhielt er die Einstufung in die Bezirksklasse und 1968 die der Bezirksliga Erfurt. Einen Einschnitt in seinem Leben gab es 1975. Er wurde an das Institut Forstpflanzenzüchtung Waldsieversdorf berufen. Günter Schachler ließ seinen Sport allerdings auch in Waldsieversdorf nicht aus den Augen. Er wurde Mitglied der ASG Vorwärts Waldsieversdorf und vertrat den Verein vier Jahre auch als DDR-Liga-Schiedsrichter. „Nie vergessen werde ich die Partie Stahl Finow gegen Beeskow, als es im Endspiel um die Bezirksmeisterschaft Frankfurt (Oder) ging. Stahl gewann vor 4500 Zuschauern am heimischen Wasserturm mit 1:0 und feierte den Aufstieg in die DDR-Liga. Es war ein richtig gutes Spiel, sehr fair und das, obwohl es um so viel ging“, erinnert er sich. Günter Schachler gibt zu, dass die Faszination und das Kribbeln vor jedem Spiel bis heute geblieben sind.

Auch als altersbedingte Rückstufungen erfolgten, blieb er seiner Linie treu und leitet bis heute Spiele der Kreisklasse. „Wenn Spieler sagen: Schiri, hast du es nicht gesehen?, damit kann ich umgehen. Aber wenn sie sagen: Schiri, du kannst es wohl nicht mehr sehen, dann ...“

An seinem Ehrentag ließ er es sich nicht nehmen, einige kleine Geschichten aus seiner Schiri-Tätigkeit wiederzugeben. „In einem Spiele der Frauen, damals sagte man noch Damen, verhängte ich eine Gelbe Karte an eine Spielerin.“ Damals wurde die Regel Gelbe Karte Verwarnung gerade eingeführt. „Nach einem nochmaligen Foulspiel verwarnte ich die Spielerin erneut und drohte mit einer weiteren Gelben.“ Die Antwort der Spielerin. „Aber ich habe doch gar keine Gelbe Karte. Die haben sie doch mitgenommen“.
Er erinnert sich auch an einen Rat vor beginn des Spieles „Am besten, ihr Schiris parkt eure Autos gleich in Fluchtrichtung“
Günter Schachler erinnert sich heute an ein Fußballspiel, das bei Minus 12 Grad Celsius und an ein weiteres, das bei Plus 35 Grad Celsius angepfiffen wurde.
„Die Regel, die ich am schnellsten begriffen haben, ist dass der Anstoss nach hinten ausgeführt wird“, sagt er mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht.
Er leitete einmal ein internationales Freundschaftsspiel: FV Vorwärts Frankfurt gegen Legia Warschau.
„Ich habe die kleinste Schiri-Kabine kennengelernt. Die gibt es in Hasenfelde und hat eine Grundfläche von 1 ma 1 Meter.“
Nach den vielen Jahren im aktiven Fußball bedankte sich Günter Schachler bei seiner Ehefrau Karin. „Fußball interessiert mich eigentlich überhaupt nicht, doch ich fahre so oft wie möglich mit. Einer muss ein wenig auf ihn aufpassen.“

Bildergalerie

« zurück