Sport vor Ort - Porträts

„Aufhören tut so weh“ - Simon Kapa

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Handball Der Leistungssport hat viele Facetten. Oft sehen die Fans nur die strahlenden Gesichter der Sieger. Doch es gehören auch ganz andere Geschichten dazu

Viele Jahre spielte Simon Kapa beim MTV Altlandsberg. „Sportlich habe ich dort die schönste Zeit meiner Karriere erlebt. Ich habe viele Freunde im Verein und werde ihm auch in Zukunft treu bleiben“, sagt der 29-jährige Handballer, der seine sportliche Laufbahn aus gesundheitlichen Gründen beenden musste. Es war quasi sein zweites Karriereende.
Es war am 15. März 2017, als Kapa kurz vor dem Derby in der Oberliga Ostsee-Spree gegen den ewigen Kontrahenten Grünheider SV bemerkte, dass sein Knie plötzlich stark anschwoll. Die Schmerzen wurden größer und er konnte nicht auflaufen.

Ein Zufall half

Durch einen Zufall war Bundesliga-Profi Jonas Thümmler, Bruder seines Vereinskameraden und Freundes Arian Thümmler in der Halle. Jonas spielte damals für den HC Erlangen und stellte Kapa seiner Vereinsärztin Dr. Elke Lüst vor. Es wurde eine MRT (Magnetresonanztomographie) gemacht, die Diagnose war ernüchternd: Knorpelschaden. In der Folge wurden insgesamt vier Fachärzte zu Rate gezogen, aber nur Dr. Lüst mahnte nach einer weiteren MRT-Untersuchung zur Vorsicht, riet von einer voreiligen Operation ab. „Die Ärztin untersuchte meinen Körper genauer und prüfte, ob es Defizite im muskulären Bereich oder von der Beweglichkeit her gibt. Sie zeigte mir Übungen, die ich absolvieren sollte, um das Knie auf schonende Weise wieder in Schwung zu bringen. Jedenfalls habe ich mich gegen eine Operation entschieden. Ich entdeckte Freeletics, um mich wieder fitter und beweglicher zu machen.“ Um die Verletzung aber nicht noch akuter werden zu lassen, entschied sich Simon Kapa, den Handball zunächst ruhen zu lassen und abzuwarten, wie sich das Knie erholen würde. Er legte eine Pause von sechs Monaten ein. „Bei den Spiele meiner Mannschaft war ich aber weiter dabei und habe gemerkt, wie es beim Zuschauen richtig in den Händen gejuckt hat.“

Burpees-Übungen

So ganz ohne Sport konnte er nicht. Er joggte, baute sich ein Rennrad zusammen – und beschäftigte sich eben mit Freeletics. Diese Übungen wie Burpees, Liegestütze und Klimmzüge sprechen mehrere Muskelgruppen an, was für eine große Effektivität, aber auch eine hohe Intensität in der Trainingsarbeit sorgt. „Die Einheiten sind kein Zuckerschlecken und alles andere als einfach. Aber es tat mir sehr gut und ich bin bis heute dabeigeblieben. Die Schmerzen im Knie wurden weniger, ich fühlte mich immer besser und der alte Ehrgeiz kam zurück. Ich habe mich getraut, wieder Handball zu spielen.“
Das funktionierte so gut, dass der Rechtsaußen Teile der Vorbereitung auf die Saison 2019/20 absolvierte und sich für den Altlandsberger Kader aufstellen ließ. Schließlich sollte es eine großartige Spielzeit für den MTV werden: „Ich wollte mit den Jungs unbedingt den Landespokal holen.“

"Kommen die Schmerzen zurück, höre ich auf"

Er schloss aber keinen neuen Vertrag ab, denn immer schwebte über ihm die Angst, das Knie würde doch nicht halten. „Ich wollte den Verein nicht belasten und mir selbst die Chance offenhalten, auch kurzfristig aufhören zu können. Was ich mir geschworen hatte: Kommen die Schmerzen zurück, höre ich sofort auf.“
Es lief zunächst gut, Kapa bekam seine Einsatzzeiten, erzielte 34. Tore. Kurz vor Weihnachten dann ein Heimspiel, ausgerechnet wieder gegen den Grünheider SV – und nach acht Minuten ging nichts mehr. „Jeder, der selbst einmal Leistungssport getrieben hat und dann mittendrin aufgeben muss, weiß, wie ich mich gefühlt habe. Ein paar Tränen waren dabei, denn ich wusste ganz genau, das war’s. Ich werde keinen Handball mehr spielen können.“ Der Unglücksrabe will nun wieder mit Dr. Elke Lüst Kontakt aufnehmen und mit ihr beraten, wie es weitergehen soll.
Er spielte bei den Füchsen

Zunächst Fußball

Simon Kapa hatte, wie viele andere auch, zunächst mit Fußball begonnen. An der Realsschule in Pankow wurde im Sportunterricht aber viel Handball gespielt, und so kam er zum PSV Berlin. Zunächst D-, später B-Jugend, 2006 dann er Wechsel zur Sportschule Werner Seelenbinder. Danach ging es zu den Füchsen und wieder zurück zum PSV. Mit der Männermannschaft gelang 2009/2010 der Aufstieg in die Oberliga. „Doch wir mussten feststellen, diese Liga war eine Nummer zu groß, sind direkt wieder abgestiegen. Was mir davon geblieben ist? Mit 211 Reffern wurde ich Torschützenkönig.“
Kapa wollte aber weitere Erfolge und wechselte gemeinsam mit Arian Thümmler zum MTV Altlandsberg. „... in eine Mannschaft, die einfach großartig war. Mit Trainer Ferenc Remes, aus meiner Sicht einer der Besten überhaupt. Sicher, es war nicht immer einfach, aber er hat eine Menge Gefühl für das Spiel und seine Spieler.“
Es folgte eine tolle Saison 2013/14, an deren Ende die Altlandsberger den Meistertitel in der Oberliga Ostsee-Spree und der Aufstieg in die 3. Liga feiern konnten. „Felix Erdmann, Stefan Kurth, Dominic Witkowski, Robert Klatt, dazu Daniel Braun im Tor, um nur einige zu nennen, wir waren eine richtig gute Mannschaft.“

In der 3. Liga

Sowohl die Männer als auch die Frauen des MTV Altlandsberg waren in Liga 3 vertreten – das war zuvor und ist seitdem keinem zweiten Brandenburger Handballverein geglückt. Der über- raschende Aufstieg der Männer gelang auch dank der 103 Ober- liga-Treffer von Simon Kapa, die er meist von der rechten Außenposition warf.
Und das ist tatsächlich eine Besonderheit, denn er ist Rechtshänder. „Angefangen habe ich in der Rückraum-Mitte, hatte aber auch schon auf der linken Seite gespielt.“ Wie so oft im Leben kam er durch einen Zufall auf diese Position, an der er schnell Gefallen fand. „Ich habe mir das von unserem Stammtorhüter Philip Pohl einmal erzählen lassen. Er erklärte mir, dass auch die besten Torhüter damit Probleme hätten: Rechtshänder werfen von Rechtsaußen mit einem absolut ungewöhnlichen Winkel.“ Und Kapas Tore waren zumeist tatsächlich spektakulär. Dazu kam das Tempospiel, das ihn so gefährlich machte.
Passende Worte zum Abschied fand André Witkowski, 1. Vorsitzender des MTV 1860: „Ich weiß, dass Simon dieser Abschied so deutlich vor der Zeit ebenso schmerzt wie die Mannschaft selbst. Er hat das Gesicht und den Charakter der Truppe in einer Weise geprägt, wie es nur wenigen Spielern vergönnt ist. Wer auch immer künftig die Nummer 4 auf dem Rücken tragen wird, muss sich der großen Fußstapfen bewusst sein, in die er tritt.“
„Ich werde dem Verein weiter die Treue halten, nur jetzt als Zuschauer“, sagt der gelernte Zerspanungsmechaniker, der in einer bekannten Berliner Firma arbeitet, die Herzschrittmacher herstellt. Eine Anfrage, eventuell sogar als Trainer zu arbeiten, lehnte er ab. „Sicher, ich habe eine Menge Erfahrung, aber das ist einfach nichts für mich.“
Dankbar für eine schöne Zeit

Handball, eine der intensivsten Sportarten

„Wer einmal Handball gespielt hat, kommt davon nicht los. Es ist eine der intensivsten Sportarten überhaupt, bei der immer etwas passieren und man sich leicht verletzten kann. Dennoch: Das Aufhören tut so weh“, sagt Simon Kapa. „Aber ich bin allen, meiner Familie, meinen Freunden, insbesondere Arian Thümmler und Robert Beutler, dem MTV und den tollen Fans für eine großartige Zeit sehr dankbar.“
Er sei über die eigene Enttäuschung inzwischen hinweg, sagt der Berliner. Er hat mehr Zeit für die Familie, geht Wandern und Boulden ist gern mit seinem Wohnmobil unterwegs, macht Freeletics. Er hat seine Ernährung komplett umgestellt und sich auch ein neues sportliches Ziel gesetzt: „Ich will einmal einen Marathon laufen. Wenn es mein Knie zulassen sollte“, fügt er nachdenklich hinzu.

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