Reisen - Welt

Von Eggersdorf aus eine Reise um die Welt

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Weltreise im Schatten von Corona

Fast zwei Jahre haben sich Brigitte und Rudi Ernst Schnabel auf ihre Weltreise vorbereitet. Auf eine Seereise mit der MSC Magnifica über vier Ozeane, die sie in 117 Tagen vom 5. Januar bis 30. April 2020 durch die Südsee von Genua aus entlang der europäischen Pyrenäenküste über Portugal nach Südamerika führen sollte. Besuche von Südseeinseln standen auf dem Reiseprogramm ebenso wie Stippvisiten in Indien, Jordanien bis es wieder durch den Suezkanal heimwärts gehen sollte. Es waren Visa zu beantragen, an Reiserücktrittsversicherungen zu denken und Programmpunkte an Bord zu buchen. Wer Rudi Schnabel kennt, weiß, dass er alles akribisch vorbereitete. Pläne schmiedete, was beim Landgang auf der Besichtigungsliste stehen sollte – schließlich waren die beiden reisefreudigen Eggersdorfer Senioren schon vielerorts gewesen, so dass sie nun genau wussten, was sie sich noch anschauen wollten. Im Gepäck hatte Rudi Schnabel nicht nur ein nagelneues Tagebuch und einen Laptop, sondern auch Aquarellpapier, Tusche und natürlich seine gut ausgearbeiteten Pläne. Denn auch von dieser großen Reise sollte es im Nachhinein wieder unterhaltsame Berichte geben, denen nicht nur die Verwandtschaft lauschen, sondern auf die sich auch Senioren in Klubs und Begegnungsstätten freuen würden. Und dann kam alles ganz anders.

Geschichten sein ganze Leben gesammelt
Rudi Schnabel hat schon in seiner Schulzeit als Volkskorrespondent in Staßfurt für die Volksstimme geschrieben, war als Schwimmer und Übungsleiter Berichterstatter von Sportereignissen und später griff er für die Märkische Oderzeitung unter einem Pseudonym zur Feder. Als Schreiber über den Naturschutz habe er sich früher nicht immer Freunde gemacht, erzählt er, da viele Wahrheiten auch im Text versteckt werden mussten. Ganze Schülergenerationen in Eggersdorf, Herzfelde oder Strausberg hatten bei ihm Biologie- oder Chemieunterricht. 1992 hat er an der Volkshochschule die ersten Abendschulklassen für den zweiten Bildungsweg mit aufgebaut. „Geschichten habe ich mein ganzes Leben lang gesammelt“, sagt der inzwischen 75-jähr
ige Vater dreier erwachsener Kinder. Auch in Büchern veröffentlicht hat er sie, wie 2012 seine erste Sammlung von Kurzgeschichten um seinen imaginären Freund Edwin unter dem Titel „Die Reise nach Smörebröd“. Eine Fortsetzung der Edwin Geschichten folgte 2015 im Verlag Pro business Berlin mit dem Buch „Der Reisetester“. Im Selbstverlag wurde mittlerweile die 5. Auflage einer „Heilkräuterfibel mit Anregungen zum Genuss und Geschichten um Wildkräuter“ veröffentlicht. „Nur ein Tagebuch habe ich nie geführt, obwohl ich es mir des Öfteren vorgenommen hatte. Aus heutiger Sicht ist das bedauerlich“, sagt er.

Ungewöhnliches Tagebuch
Und nun liegt ein spannendes und in vielerlei Hinsicht ganz ungewöhnliches Tagebuch in gedruckter Form vor. Wie erhofft und erwartet startet die Weltreise mit Erlebnissen, mit Ausflügen und abwechslungsreichem Programm an Bord. Gut, schon wenige Tage nach ihrer Abreise in Genua gab es Gerüchte von einer Grippe, an der in China schon Menschen verstorben seien. China war weit und lag nicht auf ihrer Route. Aber nach und nach drangen beängstigende Informationen über den Corona-Virus in der Welt auch an Bord. Erst beim Anlaufen der Cook Inseln wirkte sich der Corona-Virus-Ausbruch auch auf die Reise aus. Die ersehnte Badeinsel Aitutaki wurde von den örtlichen Behörden gesperrt, obwohl, nach Versicherung des medizinischen Zentrums an Bord, das gesamte Schiff coronafrei sei. Dann, am 17. März erklärt Kapitän Roberto Leotto, die „Erlebnisreise für beendet“ und teilt mit, „dass er uns auf dem schnellsten Wege nach Hause bringen muss“, wie sich Rudi Schnabel erinnert. Danach setzte eine mehr als 40 Tage dauernde Odyssee ohne Landgang für das gesamte Schiff ein, um den einzigen offenen Hafen des Mittelmeeres, Marseille, zu erreichen

Leben an Bord
Ab diesem Tag hält er in seinem Tagebuch nicht mehr die Ausflüge, sondern das Leben an Bord fest. „In Neuseeland sind wir das letzte Mal an Land gegangen. Aber der Ausflug reichte nur bis auf die Betonkaimauer, dann mussten wir wieder zurück aufs Schiff.“ Was nicht nur die Passagiere am Tisch 688 von Familie Schnabel besonders ärgerte, war die Meldung eines pensionierten Journalisten an Bord, der dem Hamburger Abendblatt offensichtlich über „300 Erkrankte an Bord“ berichtet hatte. Eine Nachricht, die schnell die Runde durch die deutsche Medienlandschaft gemacht hatte. „So gerieten wir an Bord unerwartet ebenfalls in ein Corona-Abenteuer. Krank waren wir aber gar nicht, bis auf den üblichen Frühjahrsschnupfen vielleicht. Der war aber durch die überklimatisierten Räume verursacht worden und auf keinen Fall durch einen Coron-Virus“, erinnert sich Schnabel.

35 Tonnen Wasser pro Stunde
Für den pensionierte Lehrer ist der Bordarrest aber kein Grund, mit dem Schreiben aufzuhören. Im Gegenteil. In seinem Tagebuch widmet er nun Bordleben viel Platz. So finden sich darin die Mitteilungen des fürsorglichen Kapitäns über die „die Zeit vor Anker in Fremantle“, in der so viele Vorräte geladen worden seinen, „wie wir konnten und durften“. Auch, dass sich die 2200 Passagiere keine Sorgen machen brauchten, dass es nicht genug Mineralwasser zu trinken geben würde. „Auf diese Weise erfuhren wir, dass es an Bord zwei Frischwassergeneratoren gibt, die über 35 Tonnen Wasser pro Stunde produzieren können“, liest Rudolf Schnabel vor.

107 Tage - davon 33 ununterbrochen an Bord
Das letzte Drittel der Reise geht vorbei an 13 Ländern, die die Passagiere nur von Bord aus sehen dürfen. Die Zeit an Bord nutzt Schnabel, um Aquarelle zu zeichnen, von den Sehenswürdigkeiten, die sie noch besuchen durften. Nutzt sie, um alles aufzuschreiben, was diese Reise von jeder anderen unterscheidet. Und auch, um Informationen zu sichten, die drumherum geschehen. Derweil kommen immer neue Corona-Nachrichten an. „Wir haben mit unseren Kindern über E-Mails in Kontakt gestanden und haben uns fast mehr Sorgen um sie gemacht, als um uns“, sagt Schnabel. Nach 107 Tagen, davon 33 ununterbrochen an Bord, endete die ungewöhnliche „Weltreise im Schatten von Corona“ in Marseille. Das Buch ist fertig. Vorträge sind vorbereitet. „Nun warten wir auf die Gelegenheiten, anderen von unserer Weltreise, die so nicht geplant war, zu berichten“, sagt Rudi Schnabel.

Das Buch ist im Selbstverlag entstanden und mit Hilfe der Plattform "epubli" seit 4. Januar veröffentlicht. Zur Zeit ist das Buch auch im Buchhandel erhältlich und bei Amazon, Thalia, Hugendubel, exlibris gelistet. ISBN 978-3-753142-71-5


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