Sport vor Ort - Porträts

„Ich habe im Leben eine Menge Glück gehabt..."

Bild1: „Ich habe im Leben eine Menge Glück gehabt..."

Ulrich Jansch hat einst als Schwimmer begonnen. Dann wurde er Journalist und Reporter beim DDR-Fernsehen, später für das DSF sowie bei Eurosport. Mittlerweile ist der 72-Jährige nur noch gelegentlich im Einsatz, genießt er in Fredersdorf-Vogelsdorf seinen Ruhestand

„Ich habe im Leben eine Menge Glück gehabt


Zum vereinbarten Treffpunkt kommt Ulrich Jansch mit dem Fahrrad. „Hallo, Hallo“, sagt er gut gelaunt und ist schon mitten drin im Gespräch. Er hat die ganze Welt gesehen und kennt viele Große des Sports. Ulli Jansch ist 72. Aber das ist nur eine Zahl, denn er wirkt längst nicht, als sei er schon im Ruhestand. „Das stimmt auch nicht ganz, denn gelegentlich habe ich noch Aufträge.“ So wird er demnächst wieder beim Wintersport für das Fernsehen kommentieren wird.
Seine Stimme und seine sachlichen Kommentare kennen die Sportfans, insbesondere die Älteren, noch aus dem DDR-Fernsehen und dann von den Eurosport-Übertragungen. Vor allem die Großereignisse im Radsport hat Jansch begleitet. Er spricht Englisch und Russisch, kann Italienisch und Französisch lesen. „Das muss ich auch, denn ich will immer informiert sein.“

In Nebra aufgewachsen
Ulli Jansch ist ein zufriedener Mensch und sagt über sich selbst: „Ich habe im Leben eine Menge Glück gehabt und offensichtlich auch nicht so viel falsch gemacht. Allerdings lief auch nicht immer alles ganz glatt.“ Geboren und aufgewachsen ist er an einem fast schon historischen Ort, in Nebra. „Ja, tatsächlich nicht so weit von der Fundstelle der Himmelsscheibe.“ Das Relikt stammt aus der Bronzezeit und wurde 1999 auf dem Mittelberg bei Nebra (Sachsen-Anhalt) geborgen. Als älteste konkrete astronomische Darstellung der Welt wird die Himmelsscheibe seit 2013 von der Unesco auf der Liste des Weltdokumentenerbes geführt. Jansch erzählt gern von den Einzelheiten der berühmten Bronzeplatte, die er inzwischen alle kennt.

Schöne Erinnerungen an die KJS
Nach der 2. Klasse zog die Familie des kleinen Ulli nach Sondershausen. Neben den Schulfächern Geschichte und Deutsch hatte der Junge vor allem großes Interesse für Sport. Allerdings nicht Fußball oder Handball – seine Leidenschaft wurde das Schwimmen. Er hatte Talent und das wurde gefördert. Jansch wechselte auf die Sportschule nach Nordhausen und wurde 1964 zur KJS (Kinder- und Jugendsportschulen der DDR) des TSC Berlin delegiert. Er erzählt noch immer gern von dieser Zeit, die zwar „knüppelhart“, aber entgegen aller Gerüchte und teilweise heutiger übertriebener Darstellungen nicht von Drill oder Kasernierungen geprägt war. „Klar, am Tag rund zwölf Kilometer schwimmen, um nur ein Beispiel zu nennen, ist kein Zuckerschlecken. Doch wir wollten es alle in unserer Sportgruppe.“ Woran er sich auch noch erinnert: „Man sollte nicht glauben, wie sehr man beim Schwimmen ins Schwitzen kommen kann.“ Seine Spezialität war die Mittelstrecke. Über die 400 Meter Freistil schaffte er es sogar in einen Endlauf um die Deutsche Meisterschaft.
?Der ganz große Durchbruch wie zum Beispiel einem Roland Matthes, der bis heute als der erfolgreichste Rückenschwimmer aller Zeiten gilt, gelang Jansch aber nicht. Er hatte sich eingestanden, dass er sich nicht weiter verbessern kann und wurde?schließlich auch aus dem Kader genommen. Das sei ein normaler Vorgang gewesen, sagt er heute ohne Verbitterung.

Aus dem Fünfkampf wurde nichts
Ulrich Jansch bekam die Chance, in den Modernen Fünfkampf zu wechseln: Reiten, Schießen, Fechten, Laufen und Schwimmen, was die meisten Punkte bringt. Doch nach dem Beschluss des SED-Politbüros vom 8. April 1969 – Grundlinie der Entwicklung des Leistungssports in der DDR bis 1980 – war das Ende seiner Karriere besiegelt. Es wurde beschlossen, medaillenträchtige olympische Sportarten stärker zu fördern. Basketball, Eishockey, Hockey und Alpiner Skisport waren von der Reduzierung oder gar einer Einstellung der Förderung betroffen. Der Moderne Fünfkampf wurde sogar völlig aus dem Sportprogramm der DDR gestrichen.
Für Ulrich Jansch begann dafür ein Weg, von dem er schon zuvor heimlich geträumt hatte: „Ich wollte Journalist werden.“ Gerd Michael, erster Klubpräsident des Berliner TSC, hatte einen guten Draht zum Fernsehen. Nach einem Eignungstest bekam Jansch einen Volontariatsplatz und landete in der Sportredaktion. Zunächst aber musste er zur Nationalen Volksarmee, wurde dort Redakteur beim Militärverlag, schrieb für die GST-Zeitschrift „Sport und Technik“. „Das war die Zeit, in der ich in puncto Journalismus viel gelernt habe.“ Schließlich absolvierte er ein Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig und arbeitete ab 1971 beim DDR-Fernsehen.

Eishockey und Wasserspringen
„Es war alles sehr spannend und ist heute kaum vorstellbar, unter welchem Druck wir gearbeitet haben.“ Seine erste Sendung als Kommentator? „Oh, da kann ich mich nur vage erinnern. Es war wohl ein Eishockey-Länderspiel in Weißwasser.“ Eher im Gedächtnis geblieben ist ein Wettkampf im Rahmen des Pokals der Völkerfreundschaft der sozialistischen Länder im Wasserspringen, der ihn 1984 nach Budapest führte. „Wasserspringen ist eine faszinierende Sportart.“ Unvergessen bleiben auch die Gewichtheberwettkämpfe in Marxwalde, das heute wieder Neuhardenberg heißt.
Seit 1981 wohnt Ulli Jansch mit seiner Familie – er hat zwei Töchter – in Fredersdorf-Vogelsdorf (Märkisch-Oderland). „Wir hatten eine kleine Wohnung in Berlin-Friedrichshain und auch keine Aussicht auf eine größere. In der Mitte stand unser Tisch, auf dem die Kinder gewickelt wurden, ich teilweise meine Arbeit machte und nach dem gemeinsamen Abendbrot meine Frau die Hefte ihrer Schüler korrigierte. Ich wollte eigentlich nie weg aus der Stadt – aber heute bin ich froh, dass wir mit Hilfe der ganzen Familie das Haus gebaut haben.“
Ein großer Einschnitt war auch für Ulrich Jansch das Ende der DDR. Schnell machte die Nachricht die Runde, dass es kein drittes öffentlich-rechtliches Fernsehen in der Bundesrepublik geben werde. So landete er in der Redaktion des Landessenders Brandenburg, sein Freund und Kollege Peter Woydt in Sachsen. „Aber es war eine schöne Zeit. Wir hatten nahezu alle Freiheiten und konnten Dinge machen, die wir eben so nicht gewohnt waren.“ Aber schon 1991 war Schluss. „Man gab mir die Möglichkeit, mich auf meine eigene Stelle offiziell zu bewerben. Nee, das wollte ich nicht, und so kam mir das Angebot von Eurosport sehr gelegen. Allerdings war ich von nun an Freier Mitarbeiter – eine völlig ungewohnte Position.“
Von 1993 bis 1998 war Jansch beim DSF (heute Sport 1) angestellt. Eine Spezialisierung gab es nicht, und so erzählt er die Geschichte, als er bei einem Boxkampf so nah am Ring saß – Henry Maske holte gegen Prince Charles Williams den WM-Gürtel –, dass er auf den Jeans und dem Programmheft Blutspritzer des US-Amerikaners hatte ...

Durch die Friedensfahrt zum Radsport
Schon immer hatte Jansch eine Vorliebe für den Radsport. „Das kommt von der Friedensfahrt, die ich begleiten durfte. Ja, die Tour de? France ist eine großes Ereignis. Doch ich würde sie gar nicht so herausheben. Der Giro d’Italia ist mindestens genauso reizvoll. Radsport ist eine der intensivsten Sportarten überhaupt.“
Und was macht Ulli Jansch heute? „Ich habe vier Enkel und bin ganz gern zu Hause. Mit meiner Frau gehe ich gelegentlich auf eine Kurzreise, auch mit dem Rad. Und wenn ich sagen soll, wo es am schönsten auf dieser Welt ist, dann ist das – neben dem eigenen Heim – das Great Barrier Reef in Australien. Das Tauchen dort werde ich nie vergessen.“

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